top of page
Birgit Doeubler

Ganz die Mutter? Impulse zur Spurensuche


Vergleiche mit der Mutter kommen bei vielen Frauen nicht gut an. Modern und emanzipiert wollen wir sein, unseren eigenen Weg gehen und der soll sich bitteschön von dem unserer Mutter so weit wie möglich unterscheiden! Doch wohin wir auch gehen: Unser weibliches Erbe geht mit uns. Eine aktive Auseinandersetzung mit dem So-Sein der Mutter hilft sie als Mensch zu verstehen - und uns selbst besser kennenzulernen. Impulse zur Spurensuche.


Du bist wie deine Mutter! Kompliment oder Beleidigung? Fest steht: Wohin wir auch gehen, unser weibliches Erbe geht mit uns.

Als ich mit Mitte zwanzig in eine größere Wohnung zog, bot sich die Gelegenheit diverse Kartons aus meinem Elternhaus abzuholen. Ich klingelte, die Tür flog auf und dann traf es mich wie ein Schlag: Du siehst ja aus wie deine Mutter!, hörte ich einen Umzugshelfer beim Anblick von uns zwei Frauen rufen. Für diese Feststellung wäre ich dem Herrn am liebsten an die Gurgel gegangen. Auch mein Mann konnte mich in meinen Dreißigern mit dem Satz: Du bist wie deine Mutter! noch zuverlässig zur Weißglut treiben. Von vielen Freundinnen weiß ich, dass es ihnen ebenso geht.


Heute, jenseits der 40, sehe ich Vergleiche mit meiner Mutter entspannt. Wir müssen erst, so scheint es, ein gewisses Alter erreichen um bei Vergleichen mit der Mutter gelassen zu bleiben. Geschenkt bekommen wir diese Gelassenheit jedoch noch lange nicht: Oft liegt ein langer Weg hinter uns, auf dem wir das Verhalten der Mutter immer wieder hinterfragen und nachspüren dürfen, was das mit uns zu tun hat.


Die Mutter als Persönlichkeit sehen, als Mensch mit Stärken und Schwächen, mit ihrer ganz eigenen Geschichte, ihren Erlebnissen und Erfahrungen, die sie geprägt haben - das hilft dabei unsere Mutter zu verstehen - und darüber uns selbst besser kennenzulernen.


Warum bin ich die, die ich bin? Impulse zur Spurensuche


Aussehen

Welche körperlichen Merkmale habe ich von meiner Mutter?


Persönlichkeit

Welche Eigenschaften - positive wie negative - schreibe ich meiner Mutter zu? Wie geht meine Mutter durchs Leben - ist sie Optimistin oder Pessimistin, Abenteuerin oder Angsthäschen? Welche Gaben und Talente hat sie? Welche Erinnerungen hat sie an ihre Schulzeit? Welchen Beruf hat sie ergriffen und warum? Hat sie sich selbst und ihre Ziele verwirklichen können?

Familie

Wie ist meine Mutter aufgewachsen? Wie wurde sie erzogen? Wie waren die Rollen in der Familie verteilt, wer hatte das Sagen? Wie hat sie ihre Eltern wahrgenommen, welches Verhältnis hatte sie zu ihnen und den übrigen Familienmitgliedern? Wurde sie ermutigt ihren eigenen Weg zu gehen? Wie ging man mit Emotionen wie Wut, Ärger, Angst, Neid, Kummer und Gram um? Hatte die Familie finanzielle oder Nöte? Sind ihr Familiengeheimnisse bekannt?


Überzeugungen und Glaube

Woran glaubt meine Mutter, was ist ihr wichtig? Welche Denkmuster und Überlebensstrategien wurden ihr vermittelt? Nach welchen Überzeugungen handelt sie? Wie sieht sie sich als Frau? Was ist ihr als Mutter wichtig, worauf legt sie als Ehefrau wert? Welche Sorgen hat sie? Wie ist ihre Sicht auf die Welt?


Leben und Schicksal

Welche herausragenden Lebensereignisse sind der Mutter widerfahren und in welchem Alter? Gab es Schicksalsschläge? Wie ist sie damit umgegangen? Inwiefern haben diese sie geprägt bzw. ihren weiteren Lebensweg beeinflusst?


Fragen, Antworten, Erfahrungen


Die genannten Fragen sind als Anregungen zu verstehen und erheben - selbstverständlich - keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Die Suche nach Antworten ist ein fortwährender, offener Prozess, in dem wir aufgerufen sind auch Fragen an uns selbst zu richten:


Worin erkenne ich mich wieder?

In welchen Punkten bin ich anders, handle genau entgegengesetzt?

Inwiefern hat mich die Persönlichkeit meiner Mutter geprägt?

Wie bewerte ich das, was ich erfahre?

Was wünsche ich mir von meiner Mutter?


Es lohnt sich, diesen Fragen allein oder auch gemeinsam mit der Mutter nachzuspüren. Auch wenn es uns manches Mal schwer fallen wird ihre Denk- und Handlungsmuster nachzuvollziehen oder gar gut zu heißen, so können wir sie zumindest annehmen und sagen: Ja, so war es. Ja, so ist es. Und selbst entscheiden, ob wir das Erfahrene vertiefen wollen.



Buchtipp

Das Leben in die Hand nehmen. Arbeit an der eigenen Biografie von Gudrun Burkhard ist 2017 im Verlag Freies Geistesleben erschienen, hat 263 Seiten und kostet 10.00 Euro (Taschenbuch).


Comments


Commenting has been turned off.
bottom of page