veröffentlicht im Gemeindebrief der Nordkirche - Kirchengemeinde Warin-Bibow-Jesendorf
Ausgabe 02/2024
Ich höre Ihnen zu. Kostenlos. So steht es auf einem Pappschild, das im Fenster eines kleinen Kiosk lehnt, mitten auf dem Bahnsteig der U-Bahn-Haltestelle Emilienstraße in Hamburg. Drinnen sitzen sich ein älterer Herr und eine junge Frau gegenüber. Sie redet. Er hört zu.
Zuhören als Dienstleistung.
Ist so ein Angebot wirklich nötig? Sollte es nicht selbstverständlich sein seinem Nächsten zuzuhören? Ein Blick auf die kleine Schlange vor dem Kiosk macht deutlich: Es ist nötig. Zwei ältere Damen und ein junger Mann warten bereits geduldig auf Einlass.
Nun mag manch einer denken: In einer Großstadt wie Hamburg lebt es sich so anonym, dazu die Hektik, der Lärm. Da fällt es vielen Menschen schon schwer genug sich Zeit zu nehmen für sich selbst oder etwa für den Dialog mit Gott. Und wie soll man da noch ein offenes Ohr haben für das, was unseren Nächsten bewegt?
Möglich.
Doch geht es uns auf dem Land wirklich anders? Eine ältere Dame berichtet in der Therapeutischen Seelsorge, dass sie mit niemandem über ihre schwere Erkrankung reden könne. Eine Mutter beklagt, dass sie die langen Gespräche mit ihrer Tochter vermisse, die kürzlich ins Ausland gezogen sei. Und eine junge Frau erzählt, wie sehr ihr im Home Office der Austausch mit den Kollegen fehle.
Drei Frauen, die am Ende der Sprechstunde sagen: Danke, dass Sie mir zugehört haben; jetzt geht es mir besser!
Zuhören als Therapie.
In Hamburg gibt es neben dem Zuhörkiosk seit Kurzem auch noch eine Zuhörbank. Sie steht in einem kleinen Park im Stadtteil Eimsbüttel und ist mit einem entsprechenden Schriftzug an der Lehne gekennzeichnet. Wer sich davor setzt und ihn verdeckt hat keine Lust zu reden. Wer sich daneben setzt, sodass er lesbar bleibt, ist bereit dem Banknachbarn zuzuhören.
Zuhören als Zeichen der Nächstenliebe.
Nehmen Sie doch einfach einmal ganz bewusst, mit offenen Ohren auf einer Bank in der Gemeinde Platz und machen sie zur Zuhörbank. Ich würde mich dankbar dazusetzen.
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